PRO BAHN in Baden-Württemberg

Herbst 2000



Mitgliederrundschreiben des PRO BAHN Landesverbands Baden-Württemberg e.V.
Dezember 2000


Wohin fährt die Bahn?

Es ist wohl das Thema dieses Sommers und Herbstes: die geplanten Interregio-Streichungen der DB.

Zum nächsten Fahrplanwechsel im Juni 2001 sollen nach dem Willen der DB die Interregio-Züge auf den Strecken Karlsruhe - Konstanz (bis auf zwei Zugpaare, die noch eine Gnadenfrist bekommen), Ulm - Lindau (alle Züge), Stuttgart - Nürnberg (alle Züge über Backnang - Schwäbisch-Hall) und Mannheim - Stuttgart (hauptsächlich gut besetzte Berufsverkehrszüge) wegfallen, weil sie unwirtschaftlich seien. Stattdessen möge doch das Land entsprechenden Ersatz in Form von Regionalexpress-Zügen bestellen und bezahlen. Verhandlungen, um über eventuelle Zuschüsse die Interregio-Züge weiter verkehren zu lassen, lehnt die DB kategorisch ab.

Doch auch die verbleibenden Züge sind nicht sicher, denn der nächste Schlag folgt schon zum nächsten großen Fahrplanwechsel im Dezember 2002, bei dem die bis dahin verbliebenen IR-Züge dann auch gestrichen werden sollen.

Die Probleme der DB AG

Unbestritten sind die Züge auf vielen Strecken meist schlecht besetzt. Die ständigen Verschlechterungen der Angebotsqualität (Verspätungen, vergammelte Waggons, Abschaffung des Bistros auf vielen Linien), die von einem unfähigen DB-Management zu verantworten sind, zeigen ihre Wirkung.

Doch bei genauer Betrachtung der Streichliste zeigt sich, daß nicht die Reisendenzahlen den Ausschlag gaben sondern betriebsorganisatorische Probleme der DB, z. B. auf der Südbahn Ulm - Lindau der Lokwechsel in Ulm. Anders ist auch die strikte Weigerung der DB, über Zuschüsse für einen Weiterbetrieb zu verhandeln, nicht zu verstehen.

Der Bund ist verantwortlich

Daß das Land nicht ohne weiteres neue Verpflichtungen übernehmen will, ist verständlich. Zwar erhalten die Länder seit der Regionalisierung jährlich steigende Gelder für Zugbestellungen, doch sind diese für die damals übernommenen Aufgaben bestimmt und wurden zu Beginn der Regionalisierung kilometergenau nach den damals zu bezuschussenden Zugleistungen berechnet. Wenn nun plötzlich erheblich mehr Züge bestellt werden müssen, müssten auch diese Regionalisierungsgelder neu verteilt werden.

In Artikel 87e, Absatz (4) des Grundgesetzes heißt es:
Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.

Der Bund hat also nach wie vor die Verantwortung für seine Schienenwege und auch das darauf gefahrene Verkehrsangebot (außer im Nahverkehr, für den ja die Länder verantwortlich sind). Daß der Bund dieser Verantwortung aber bisher nur ungenügend nachkommt, erlebt der Fahrgast tagtäglich. Während im Bereich Schieneninfrastruktur durch die UMTS-Zinsersparnisse eine Besserung in Sicht ist, wird die Verantwortung für die Verkehrsangebote im Güterverkehr und im Personenfernverkehr vom Bund weiter hartnäckig geleugnet.

Der Widerstand formiert sich

In den betroffenen Regionen formiert sich inzwischen der Widerstand gegen die Streichpläne.

Am 12. November fand in St. Georgen eine große Protestkundgebung der Anlieger der Schwarzwaldbahn statt, die trotz schlechten Wetters mit über 2000 Besuchern die Erwartungen der Veranstalter weit in den Schatten stellte. Dabei wurde dem Unmut über das Verhalten der DB AG deutlich Luft gemacht und die Forderung nach einer neuen Bahnreform gestellt.

Entlang der Südbahn Ulm - Friedrichshafen - Lindau wurden in kurzer Zeit über 25000 Unterschriften gegen die Zugstreichungen gesammelt. PRO BAHN wird am 3. Februar 2001 in Friedrichshafen eine Diskussion zur Zukunft des Fernverkehrs auf Süd- und Schwarzwaldbahn veranstalten.

Wie geht's weiter?

Wie der Fahrplan nächstes Jahr tatsächlich aussehen wird, ist zur Zeit noch unklar. In den internen Planungen von DB Netz werden bei der Trassenplanung jedenfalls die Fahrplantrassen der Regionalexpress-Züge reserviert. Doch ob diese auch bestellt werden und wer dann darauf fahren wird, ist zur Zeit noch völlig offen. Dem Land liegen inzwischen Angebote mehrerer anderer Bahngesellschaften vor, die den Verkehr von der DB übernehmen möchten.

(Joachim Barth)


Hat der Fernverkehr auf Südbahn und Schwarzwaldbahn noch eine Zukunft?

Zu diesem Thema findet am 3. Februar 2001 eine Diskussionsveranstaltung in Friedrichshafen statt.

Eingeladen sind Vertreter des Verkehrsministeriums, der regionalen Kommunalpolitik, DB Fernverkehr, Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg und die örtlichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten.

Ort: Hotel Goldener Hirsch, Charlottenstr. 1, 88045 Friedrichshafen

Beginn: 11 Uhr

Im Anschluß findet ab 14,30 Uhr die reguläre Sitzung des Landesausschuß statt.

(Lothar Faas)


Monatstreffen in Freiburg

Der RV Südlicher Oberrhein trifft sich weiterhin monatlich an jedem 2. Dienstag im Monat um 19.00 Uhr im Cafe Velo in der Freiburger Fahrradstation und Mobilitätszentrale mobile.

Die nächsten Termine sind also am 9. Januar, 13. Februar und 13. März 2001.

(Joachim Barth)


Stadtbahnbetrieb im Enztal

Über 10 Jahre gefordert - nun bald Wirklichkeit

Die Geschichte einer elektrifizierten, also mit Stadtbahnwagen bedienten Enztalbahn begann für uns PRO BAHNer Anfang 1989: Damals veröffentlichten wir unter dem Titel "Stadtbahn Pforzheim - eine Utopie?" eine entsprechende Ausarbeitung. Die Resonanz darauf war ein gewisses Lächeln. Offizielle Antworten, z. B. aus dem Pforzheimer Rathaus, fielen entsprechend aus.

Nun ja, neue Ideen drücken halt ebenso wie neue Schuhe.

Wir ließen uns nicht entmutigen und sprachen im November 1990 in einer öffentlichen Veranstaltung erstmalig von einer möglichen Verlängerung der zur Stadtbahn umgebauten Enzbahn bis zum Kurpark nach Fertigstellung des Bad Wildbader Straßentunnels. Kommentare hierzu, sofern überhaupt, waren sicher nachvollziehbar.

Nun sind wir PRO BAHNer auch dafür bekannt, den Verantwortlichen recht dauerhaft und manchmal auch schmerzhaft auf den Füßen zu stehen. Bis 1993 gab es von uns zu diesem Thema immer wieder Anstöße, schriftliche Ausarbeitungen, welche auch einen gewissen Verteilerkreis fanden.

Dann kam Anfang 1995 die Studie der Albtalverkehrsgesellschaft (AVG) unter dem Titel "Stadtbahnbetrieb im Enztal". Nun - ganz offen, die darin genannten Vorstellungen gingen über unsere diesbezüglichen Wünsche sogar noch hinaus. Im Mai 95 erschien hierzu von uns eine überwiegend positive Stellungnahme. Etwas später meldete sich auch die DB zu Wort, stellte ihrerseits ein alternatives Betriebskonzept mit Dieseltriebwagen vor. Von uns gab es auch darauf eine Erwiderung und weitere kleine schriftliche Ausarbeitungen.

Die Region veranlaßte eine offizielle fachmännische Untersuchung durch ein Ingenieurbüro, damit verbunden eine Standardisierte Bewertung. Letztere ist die Grundlage für eine Bezuschussung solcher Verkehrsprojekte seitens der Länder gemäß Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungs-Gesetz (GVFG). In der Untersuchung wurden folgende Alternativen für die Enztalbahn analysiert: Ein reines Straßenbussystem, ein Spurbussystem, ein Dieselleichttriebwagen-System und der Stadtbahnbetrieb.

Das Ergebnis lag Ende 1996 vor und die Insider haben es sicher noch im Ohr: Die Bussysteme schieden aus. Der Dieseltriebwagen wurde als förderungsfähig eingestuft, die Variante Stadtbahn in der Nutzen/Kosten-Berechnung so niedrig eingestuft, daß eine Förderung des Landes nicht gegeben war.

Schnell fanden wir heraus, daß das beauftragte Ingenieurbüro zwar exakt gerechnet hatte, aber die von anderer Seite eingebrachten Größen teilweise absolut falsch waren. Da wurden zum Beispiel für die Stadtbahnwagen zu hohe und für die Dieseltriebwagen zu niedrige Anschaffungskosten genannt. Die Elektrifizierungskosten wurden etwa doppelt so hoch berechnet wie in der Praxis tatsächlich anfallend.

Wie reagierten darauf die zuständigen Verwaltungen? Nun teilweise aufatmen; es war kein Handlungsbedarf zu erkennen. So z. B. die erste Reaktion im Pforzheimer Rathaus. Positiver dagegen im Landratsamt Enzkreis: "Dann fangen wir doch erst mal mit einer Diesellösung an und rüsten später, wenn die Erprobung erfolgreich ist, die Elektrifizierung nach". Unsere damalige Aussage: Ein Stadtbahnbetrieb kann nun mal nicht mit einem Dieselkonzept ausprobiert werden.

Wir von PRO BAHN machten gegen das Gutachten mobil. Große Unterstützung erfuhren wir vom Verkehrsclub Deutschland, Kreisverband Pforzheim/Enzkreis. Gemeinsam starteten wir eine umfangreiche Presseaktion. Wir führten unzählige Gespräche mit den Verantwortlichen.

Ab und zu muß man heutzutage einfach die Zähne zeigen.

Eine umfangreiche Schrift von uns befaßte sich mit dem strittigen Gutachten. Und was uns schließlich Mut macht: Wir fanden auch andere, die sich für den Ausbau der Enzbahn, für die Einrichtung eines Stadtbahnbetriebes stark machten. Stellvertretend sei hier genannt, der damaligen Erste Bürgermeister der Stadt Pforzheim, Herr Siegbert Frank, Herr Scheuermann (MdL), Jens Kück (Regionalverband Nordschwarzwald und Gemeinderatsmitglied) sowie später auch der heutige Staatssekretär im UVM Stefan Mappus.

Von 1997 bis Anfang 1998 gab es eine Zeit zäher Verhandlungen zwischen dem Land und Vertretern aus der Region. Es fanden drei sicher auch richtungsbestimmende Enztalbahn-Konferenzen statt, auf denen auch wir vertreten waren. Auch wir PRO BAHNer initiierten zu diesem Thema öffentliche Veranstaltungen.

Nun es ist sicher langweilig, jetzt hier noch alle Einzelheiten aufzuzählen. Fakt ist, gegen Ende des Jahres 98 konnte die "Kuh vom Eis" gezerrt werden. Das Land plädierte, nach einer Überarbeitung der Standardisierten Bewertung nun vorbehaltlos für die Stadtbahn. Diese hob den Nutzen/Kosten-Faktor für die elektrische Lösung über den Wert von 1,0 an. Damit bestätigte sich, wie Ende 1996 von PRO BAHN und dem VCD gesagt, die grundsätzliche Förderfähigkeit der Stadtbahnvariante.

Positive Signale kamen auch von den Landkreisen und den betroffenen Kommunen. Ein neues Problem tat sich auf: Die Deutsche Bahn AG war nicht bereit, die Streckeninfrastruktur so einfach an einen neuen Betreiber abzugeben wie es in der Vergangenheit z. B. im Karlsruher Raum praktiziert wurde. Wir versuchten, auch in diesen schwierigen Prozeß einzugreifen. Schließlich ging es dabei um eine jährliche Betriebskostendifferenz von etwa 500 000 DM. Ein erneuter Poker mit dem Land setzte ein. Inzwischen ist auch dieses Problem, wenngleich mit einem Kompromiß, aus der Welt geschafft worden. Ende Januar 1999 sprach sich auch der Bad Wildbader Gemeinderat mit nur einer Gegenstimme für die Realisierung der elektrischen Stadtbahn einschließlich der innerstädtischen Verlängerung bis zum Kurpark aus.

Nun, was darauf folgte ist sicher hier in der Region noch bekannt. Eine Bürgerinitiative formierte sich, mit dem Ziel die innerörtliche Stadtbahnverlängerung bis zum Kurpark in Bad Wildbad zu verhindern. Eine Unterschriftenaktion wurde mit dem Ziel gestartet, einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Juristische Gründe ließen diese Aktion ins Leere laufen.

In der Bad Wildbader Bevölkerung war die Meinung gespalten. PRO BAHN ging mit mehreren engagierten Mitgliedern an drei Tagen auf die Straße, wir suchten das Gespräch mit dem Bürger, verteilten entsprechende Flugblätter. Unsere damalige Festellung: Es gab eine Vielzahl von Fehlinformationen und wir sind sicher, daß es uns auch gelungen ist, mancherlei Zweifel und Ängste bei den Betroffenen abzubauen.

Wir schlugen der Bad Wildbader Verwaltung eine Demonstrationsfahrt und eine Aufklärungsveranstaltung seitens PRO BAHN vor. Beides wurde daraufhin seitens der Stadt selbst in die Hand genommen. Schade, daß gerade bei der Stadtbahnsonderfahrt, die durch extrem sensible Bereiche im Karlsruher Raum führte, die Gegner der innerstädtischen Verlängerung daheim geblieben sind. In der Zwischenzeit verfassten wir mehrere kleine Schriften zum Stadtbahnbetrieb, so zum Thema Stadtbahnhaltestellen und notwendige Änderungen der Busstruktur. Eine weitere PRO BAHN-Veranstaltung im Herbst 99 in Bad Wildbad beantwortete Bürgerfragen zum Stadtbahnbetrieb.

Wo stehen wir heute? Wir behaupten, das Kind ist so im Großen und Ganzen in trockenen Tüchern und darüber sind wir sehr froh, zumal es für uns eine langjährige Herzensangelegenheit darstellt. Immerhin über 10 Jahre sind wir damit befaßt, also lange bevor sich die Politik und auch die Verwaltungen der Angelegenheit annahmen. So hoffen wir heute, daß im Jahre 2002 die ersten Stadtbahnwagen von Pforzheim nach Bad Wildbad verkehren.

(Dieter Zaudtke)


Abschlußerklärung der 18. Horber Schienen-Tage:

Klare verkehrspolitische Zielsetzung gefordert

Die Teilnehmer der 18. Horber Schienen-Tage fordern die Politik auf, klare verkehrspolitische Ziele zu setzen und dafür die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen aller Verkehrssysteme gleichzustellen. Deshalb muß die Politik insbesondere Horb am Neckar, den 25. November 2000


Internet
http://www.pro-bahn.de (Bundesverband)
http://www.pro-bahn-bw.de (Landesverband)


(Printausgabe abgeschlossen am 16.12.2000)