Artikel in "der Fahrgast (1/2023)"
Stuttgart 21 und die Gäubahn - eine internationale Strecke droht
abgehängt zu werden
Stellungnahme zur Präsentation "Faktencheck" der DB Projektbau und der LHS Stuttgart am 25.11.2022:
vom Landesnaturschutzverband LNV, VCD und PRO BAHN
Faktencheck zur Gäubahn:
vom Landesnaturschutzverband LNV, VCD und PRO BAHN
Stellungnahme zum Ausbau der Gäubahn:
vom Landesnaturschutzverband LNV und PRO BAHN
Alternativvorschlag von PRO BAHN:
Direktverbindung Böblingen-Stuttgart über Möhringer Spange und
Verbindung Böblingen - Flughafen entlang der A8
Stellungnahmen zum Planfeststellungsverfahren
“Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart”
Artikel zum Thema Stuttgart 21 in der Zeitschrift
DER FAHRGAST
Flugblatt Gute Gründe gegen Stuttgart 21
zur Kundgebung am 24.9.2007 auf dem Stuttgarter Marktplatz
Brief an Bundesverkehrsminister
Wolfgang Tiefensee vom
16.10.2006
Forderungen
des Landesausschusses
(vom 26.2.2005)
Trennung der Projekte NBS Stuttgart-Ulm und Stuttgart 21
NBS hat Vorrang vor S21
Kostenrechnung für einen modernisierten Kopfbahnhof durch einen unabhängigen Gutachter
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7 Thesen zu Stuttgart 21
02.07.2000 zur Pressekonferenz am 3.7.2000
Wesentliche Risiken werden konsequent verkannt
1 Vorbemerkung
Im Zuge des Baus einer Neubaustrecke Stuttgart – Ulm wird seit etwa 1994 diskutiert, den derzeit
bestehenden, oberirdischen Stuttgarter Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof
umzuwandeln. Die auf rund 5 Mrd. DM geschätzten Kosten für das als Stuttgart 21 (S 21) bezeichnete
Projekt sollen dabei aufgebracht werden durch Bundeszuschüsse (886 Mio. DM), Regionalisierungsmittel,
steigende Betriebserlöse (176 Mio. DM p.A. ab Betriebsaufnahme) und durch Erlöse aus dem Verkauf von
frei werdenden Grundstücken (wobei der Stadt Stuttgart das Risiko der Erlöshöhe zukommt). Die Baukosten
für die Neubaustrecke (Stuttgart –) Wendlingen – Ulm werden mit 2,8 Mrd. DM veranschlagt.
Seit Monaten zeichnen sich Finanzierungsengpässe im Bundesverkehrswegeplan ab. Eine zeitgleiche
Umsetzung des Projekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Stuttgart – Ulm erscheint auch nach Angaben
der Deutschen Bahn AG (DB AG) nicht realisierbar.
Wie sich in jüngster Vergangenheit gezeigt hat, kam es bei anderen, sorgfältig durchgeplanten und
durchgerechneten Großinvestitionsprojekten der Bahn zu massiven Baukostenüberschreitungen, die auch
innerhalb des DB AG-Konzerns zu Finanzengpässen geführt haben.
Das Land Baden-Württemberg hat Finanzierungshilfen bis hin zu einer Vorfinanzierung für die
Neubaustrecke (NBS) Wendlingen – Ulm in Höhe von mehreren Mrd. DM in Aussicht gestellt, die zu
Kapitalkosten im mehrstelligen Millionenbereich führen.
2 Pro Bahn schaltet sich ein
Da im Grundsatz Kopfbahnhöfe und Durchgangsbahnhöfe hinsichtlich der Belange von Fahrgästen
gleichermaßen Vorteile wie Nachteile aufweisen, hat der Fahrgastverband Pro Bahn bislang zur Umwandlung
des Stuttgarter Kopfbahnhofes in einen Durchgangsbahnhof eine eher neutrale Position eingenommen. Auch
wird von Pro Bahn die Notwendigkeit der Steigerung von Leistungsfähigkeit und Reisegeschwindigkeiten
entlang der Achse Stuttgart – Ulm (München) durch entsprechende Investivmaßnahmen (Ausbau und
Neubau) im Grundsatz anerkannt und bejaht.
In jüngster Zeit zeichnet sich jedoch eine besorgniserregende Fehlentwicklung ab. Zu befürchten ist, dass
das Land bereit ist, sich in völlige Abhängigkeit der Deutschen Bahn AG zu begeben, auf
Wettbewerb und damit auf das Leistungsprinzip zu verzichten, mit verheerenden Folgen für den
Regionalverkehr im Lande,
das Land Baden-Württemberg unüberschaubare finanzielle Verpflichtungen eingeht, die die
Finanzierung für andere, dringend notwendige und unaufschiebbare Investitionsmaßnahmen im
Bereich des Schienenverkehrs verunmöglichen,
diese Verpflichtungen erhalten angesichts der Kostenüberschreitungen bei anderen
Investitionsprojekten der Bahn AG und angesichts der dasaströsen Finanzlage der DB AG (sichtbar
zum Beispiel am Teilrückzug aus dem Projekt Mannheim21) eine völlig neue Dimension.
Ferner werden zahlreiche negative betriebstechnische Konsequenzen, die sich aus der Realisation von S
21 ergeben würden, wie auch Erkenntnisse bezüglich bautechnischer Risiken der öffentlichen Diskussion
bewusst entzogen.
Aus diesem Grund schaltet sich Pro Bahn als politisch unabhängiger Fachverband für Schienenverkehr in die
Diskussion mit folgenden Thesen nunmehr ein.
These 1: Die geplante Vorfinanzierung stellt ein erhebliches Risiko für den ÖPNV in
Baden-Württemberg dar
Das Land Baden-Württemberg hat 1999 gegenüber dem Bund eine Vorfinanzierung der Neubaustrekce
Wendlingen-Ulm in Höhe von rund 2,8 Mrd. DM bis zum Jahr 2010 angeboten, die Kosten in Höhe von
mindestens rund 800 Mio DM verursacht.
Die Mittel für diese zusätzlich zugesagten Finanzierungszuschüsse sind – im Gegensatz zu den bisherigen
Zuschüssen des Landes zu dem Projekt S 21 in der Finanzplanung des Landes nicht verankert ist. Wir
befürchten, dass die Gelder dem Haushaltsposten für ÖPNV-Maßnahmen entzogen werden und damit die
Finanzierung von ÖPNV-Projekten im ganzen Land gefährdet ist.
Sollte die Vorfinanzierung politischer Konsens im Lande sein, dann müssten die Parteien offen legen, wie sie
diese Vorfinanzierung ohne Kürzung des übrigen ÖPNV realisieren wollen.
These 2: Der Risikoausgleich birgt unvorhersehbare finanzielle Verpflichtungen
Mit der Übernahme eines Risiko-Ausgleiches für unvorhersehbare Baukostensteigerungen, wie dies vom DB
AG-Aufsichtsrat im Dezember 1999 gefordert wurde, würde das Land unvorhersehbare finanzielle
Verpflichtungen eingehen: die überwiegend unterirdisch angelegten Trassen für S 21 führen durch
schwierige geologische Formationen – im Stadtbereich Stuttgart entlang von Mineralquellen sowie im
Bereich des Aufstiegs zum Flughafen durch Keuperformationen –, die die Wahrscheinlichkeit von
Komplikationen und damit von Baukostensteigerungen sehr hoch erscheinen lassen.
These 3: Stuttgart 21 wurde unter anderen Rahmenbedingungen projektiert
Das Projekt Stuttgart 21 wurde 1993 projektiert – vor der Bahnreform, also unter anderen
Rahmenbedingungen. Nach den neuen Regularien der Bahnreform kann Stuttgart 21 so nicht mehr
funktionieren. Dies betrifft insbesondere
die Überführung der Verantwortung für den Nahverkehr auf die Länder. Diese, und nicht wie seinerzeit
die Stuttgart 21 planende Deutsche Bundesbahn, legen autonom fest, welche und wieviele
Zugleistungen im Nahverkehr erbracht werden.
den Zwang zur Eigenwirtschaftlichkeit des Fernverkehrs, der daher umfassende Einschnitte in das
Angebot in der Region Mittlerer Neckar plant oder bereits realisiert hat. Die Planungen zu Stuttgart 21
unterstellen jedoch eine wesentliche Ausweitung des Zugangebotes im Fernverkehr.
These 4: Diskussion wird mit unseriösen Argumenten geführt
Diese These lässt sich exemplarisch am Streckenabschnitt Stuttgart – Ulm darstellen.
Um die Fahrzeiten zwischen Stuttgart und Ulm auch ohne den Bau einer Neubaustrecke (NBS) zu
reduzieren, schlug die Deutsche Bahn AG für diese Relation den Einsatz von Neigetechnikzügen vor. Der
technische Fahrzeitgewinn bei Einsatz von Neigetechnik-Zügen gegenüber konventionellen Zügen beträgt im
günstigsten Fall 10 Prozent. Der Einsatz der Neigetechnik auf der Strecke Stuttgart – Ulm hätte hinsichtlich
der Reisezeiten nicht annähernd die Erfolge gebracht, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt wurden. In der
Diskussion wurden die Bedingungen des Streckenverlaufs und der Topographie mutwillig außer Acht
gelassen und damit Scheinlösungen (hier die Lösung durch Neigetechnik) konstruiert.
Die Filstalstrecke Stuttgart – Ulm befahren ein ICE-Linie (Berlin – München), eine IC-Linie (Dortmund – München)
und eine IR-Linie (Karlsruhe – Lindau). Völlig ungeklärt blieb immer die Frage, woher die
Neigetechnik-Fahrzeuge für den Einsatz auf diesen Linien hätten kommen sollen. Für die ICE-Linie wären
14-teilige, für die IC-Linie 12-teilige Zuggarnituren erforderlich gewesen. Benötigt worden wären
überschlägig geschätzt zwanzig vierzehnteilige, fünfzehn zwölfteilige und zehn siebenteilige
Neigetechnikzüge für die genannten drei Linien. Das Beschaffungsprogramm für Neigetechnik-Triebwagen
sieht aber insgesamt nur 32 siebenteilige und elf fünfteilige Neigetechnik-Züge vor; diese sind bereits fest
für diverse Einsatzstrecken verplant, wären also für Stuttgart – Ulm nicht verfügbar gewesen.
Dieser Exkurs zeigt, welch eigentümliche – um nicht zu sagen unseriöse – Wege die öffentliche
Diskussion zu S 21 eingenommen hat. Diese Diskussion hat sich unterdessen von selbst erledigt,
weil auch Politik und Bahn mittlerweile erkannt haben, wie unrealistisch dieser Vorschlag ist.
These 5: Die öffentlich genannten Kosten enthalten wesentliche Positionen nicht
Stuttgart 21 führt zu weiteren Folgekosten in Investition und Betrieb, die bislang kaum oder nicht erörtert
wurden und deren Finanzierung noch völlig offen ist.
5.1 Neue Neigetechnik-Dieseltriebwagen ohne Einsatzgebiet
Ende 1997 wurde im Regionalverkehr eine Neigetechnik-Linie von Albstadt-Ebingen über Tübingen nach
Stuttgart eingerichtet. Zum Einsatz kommen Dieseltriebwagen der Baureihe 611, von denen sieben Stück
für diese Linie beschafft und mit Landes- und Kommunalzuschüssen in Höhe von 35 Mio. DM gefördert
wurden. Diese Schnellverbindung erfreut sich größter Beliebtheit, so dass die Zugkapazitäten schon
wiederholt ausgeweitet werden mussten.
Die Tunnelgleise und der in Tieflage befindliche Bahnhof S 21 können nicht von Dieseltriebfahrzeugen
befahren werden. Es stellt sich die Frage nach der Zukunft dieser Neigetechnik-Verbindung, die bislang nicht
schlüssig beantwortet werden konnte. Muss wegen S 21 die umsteigefreie Verbindung von der
Schwäbischen Alb in die Landeshauptstadt aufgegeben werden? Verlieren Tübingen und Reutlingen die
Schnellverbindung nach Stuttgart? Verlieren die mit Millionenzuschüssen beschafften Fahrzeuge ihr
Einsatzgebiet?
5.2 440 Mio DM für S21-geeigneten Fuhrpark
Der im baden-württembergischen Regionalverkehr am weitesten verbreitete Wagentyp ist der sogenannte
“n-Wagen” (volkstümlicher Begriff “Silberling”). Diese Wagen – inzwischen größtenteils modernisiert –
laufen im Großraum Stuttgart auf den Regionalstrecken Richtung Singen, Tübingen, Ulm, Aalen, Backnang,
Heilbronn/Würzburg und Karlsruhe (hinzu kommen durch umlauftechnische Verknüpfungen Einsätze auf
zahlreichen weiteren Strecken).
Dieser n-Wagen-Typ ist aufgrund fehlenden Brandschutzes im Rahmen feuerpolizeilicher Vorschriften nicht
freigegeben für längere Tunnelstrecken. Ein Einsatz dieses Wagentyps im Regionalverkehr nach Stuttgart ist
bei S 21 absolut ausgeschlossen. Folge: Nahezu sämtliche Reisezugwagen im baden-württembergischen
Regionalverkehr müssten ausgetauscht werden, wenn S 21 realisiert ist. Dies betrifft mehrere hundert
Regionalverkehrswagen.
Zum Ersatz dieses Wagentyps im Regionalverkehr müssten nach einer von PRO BAHN vorgenommenen
Aufstellung ca. 100 Doppelstockwagen (Verbindung Stuttgart – Heilbronn/Würzburg, Stuttgart – Aalen,
Stuttgart-Geislingen, Stuttgart-Tübingen) mit einem Investitionsvolumen von ca. 200 Mio. DM und ca. 30
Elektrotriebwagen Typ ET425 (Verbindungen Stuttgart – Singen, Stuttgart – Karlsruhe/Heidelberg,
Stuttgart – Crailsheim/Nürnberg) mit einem Investitionsvolumen von ca. 240 Mio DM neu beschafft werden.
Insgesamt ergibt sich also ein zusätzlicher Investitionsbedarf in den Fuhrpark des Nahverkehrs
von 440 Mio DM.
5.3 Rund 200 Mio DM für neue Wartungsbahnhöfe
Die im Zuge von S 21 geplante Aufgabe des Wartungsbahnhofes Stuttgart-Rosenstein und ersatzweise
Durchbindung der Regionalzüge (Schaffung sogenannter Durchmesserlinien) bedingt, dass an den jeweiligen
Endbahnhöfen dieser Regionalverbindungen – Aalen, Crailsheim, Heilbronn, Tübingen – entsprechende
Wartungsanlagen neu erstellt bzw. wesentlich erweitert werden müssen. Pro Wartungsbahnhof ist nach
Expertenmeinung ein Investitionsvolumen von rund 50 Mio DM erforderlich.
Die Investitionskosten für diese Neuerstellung der Wartungsanlagen werden demnach insgesamt rund 200
Mio DM betragen – sie sind bislang in den Rechnungen zu Stuttgart 21 nicht berücksichtigt.
These 6: Bestellgarantien behindern den Wettbewerb
Am 12. Februar zitierte die Presse Ministerpräsident Teufel mit der Aussage, das Land sei bereit, der Bahn
AG durch einen Zehnjahresvertrag über regionale Verkehrsleistungen im künftig liberalisierten Markt sichere
Einnahmequellen zu garantieren (vgl. Bericht “Stuttgart 21: Kanzler gefragt.” in der Stuttgarter Zeitung vom
12. Februar 2000).
Diese zunächst einmal unspektakulär klingende Zusage birgt einen Skandal sondergleichen in sich. Das Land
ist bereit, die Bahnreform mit den wesentlichen Merkmalen
Trennung zwischen Infrastruktur und Betrieb,
Einführung des Wettbewerbs im Regionalverkehr
auf den Kopf stellen.
Durch eine Bestellgarantie wie die von Ministerpräsident Teufel zugesagte wird der Wettbewerb im
Regionalverkehr ausgehebelt. Nicht der jeweils preisgünstigste und leistungsfähigste Wettbewerber – von
denen es derzeit in Baden-Württemberg neun in Form privater bzw. kommunal- und landeseigener
Schienenverkehrsunternehmen gibt – würde zum Zuge kommen, sondern die monopolartig agierende
Deutsche Bahn AG.
Damit würde in einem wesentlichen Teil des öffentlichen Lebens gegen das Leistungsprinzip
verstoßen. Effektivität und Effizienz der Mittelverwendung wären nicht mehr gewährleistet. Ob
diese Praxis einer Überprüfung durch den Landesrechnungshof standhält, erscheint fraglich. Auch ist nach
Expertenmeinung eine solche Bestellgarantie nicht konform mit den Bestimmungen der EU.
Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass sich die Aussage von Ministerpräsident Teufel nicht nur bezog auf
die heute gefahrenen Zugleistungen, sondern auf die im Zuge von S 21 geplanten Angebotserweiterungen
(Mehrverkehre) – ohne Rücksicht darauf, ob für die Bestellung entsprechender Mehrverkehre Gelder
vorhanden sind.
Durch die Zusage der Bestellung von Fahrleistung zur Sicherstellung von Infrastrukturinvestitionen wird die
von der EU (EU-Richtlinie 91/440 aus dem Jahr 1991) verbindlich geforderte Trennung zwischen Fahrweg
und Betrieb aufgehoben: Dem Betriebsbereich DB Regio wird Geld gegeben, damit der Infrastrukturbereich
DB Netz Investitionen durchführen kann.
Ferner stellt die Zusage von Zugleistungs-Bestellungen (gerade unter Einschluss von Mehrverkehren) für
den Großraum Stuttgart eine eklatante Benachteiligung anderer Landesteile dar. Da die Höhe der zur
Verfügung stehenden Finanzmittel (sog. Regionalisierungsmittel) für Bestellungen von Zugleistungen heute
noch nicht feststeht, kann eine solche Garantie der Bestellung von Zügen ggf. nur gegenfinanziert werden,
indem Zugleistungen in anderen Landesteilen gestrichen werden. Andere Regionen drohen also hinsichtlich
des Regionalverkehrs auf der Strecke zu bleiben, nur damit Stuttgart 21 zum Zuge kommt.
These 7: Das Projekt S 21 fixiert die Landesverkehrspolitik einseitig auf Stuttgarter
Interessen
Pro Bahn sieht mit großer Sorge die völlige Fixierung der Landesverkehrspolitik auf die Projekte S 21 und
Neubaustrecke Stuttgart-Ulm.
Allgemein werden für den Europäischen Schienengüterverkehr enorme Wachstumsraten im zweistelligen
Prozentbereich prognostiziert vor dem Hintergrund der Fertigstellung der Großen Belt-Querung zwischen
Dänemark und Schweden und der begonnenen “Neuen Alpen Transversale” (NEAT) in der Schweiz.
Baden-Württemberg als Transitland in Nord-Süd-Richtung droht dabei, den Anschluss zu verlieren bzw. zu
einem Flaschenhals im europäischen Transitverkehr zu werden. Kapazitätsengpässe müssen dabei vor allem
befürchtet werden zwischen Frankfurt und Basel sowie zwischen Würzburg und Zürich.
Das Hauptaugenmerk der Landesverkehrspolitik muss deshalb darauf gelegt werden, die Kapazität dieser
wichtigen Achsen im Schienenverkehr auszuweiten. Dies betrifft sowohl die Verbindung
Würzburg – Stuttgart – Singen (– Zürich), die auf weiten Streckenabschnitten nur noch eingleisig ist (dies
betrifft die Abschnitte Züttlingen – Möckmühl, Horb – Hattingen und Schaffhausen – Bülach) und die durch die
Realisation von S 21 weiter geschwächt werden würde (durch Aufgabe der Verbindung
Kornwestheim – Stuttgart Nordbahnhof – Böblingen) als auch die Verbindung Offenburg – Basel, für die ein
viergleisiger Ausbau dringend erforderlich ist, welcher aus Finanzengpässen aber derzeit nicht im
Bundesverkehrswegeplan als prioritäres Projekt enthalten ist.
3 Wertung
Stuttgart 21 droht zu einem finanziellen Abenteuer für das Land Baden-Württemberg zu werden, ohne
dass es einen Nutzen für das Land bringt. Die Summe aus Vorfinanzierungskosten, Risikozuschlägen,
Folgekosten für Fahrzeuginvestitionen (Nahverkehrswagen), örtliche Anlagen (Wartungsbahnhöfe)
droht, sämtliche Mittel des Landes für den Öffentlichen Verkehr auf Jahre hinaus aufzuzehren, ohne
erkennbaren Mehrnutzen für den öffentlichen Verkehr.
Mit den zur Zeit diskutierten Verpflichtungen des Landes Baden-Württemberg gegenüber dem
Gesamtkonzern DB AG wird der politisch gewollte Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr in
wesentlichen Bereichen blockiert. Die Durchsetzung von relevanten Qualitätskriterien wird wegen
fehlendem Wettbewerbsdruck erheblich erschwert.
Die Politik handelt – nach heutigem Sachstand – finanziell und verkehrspolitisch /verkehrsstrukturell
grob fahrlässig, indem sie leichtfertig Finanzzusagen gibt und offene Fragen, die sich aus der
geänderten Planung ergeben, negiert.
4 PRO BAHN-Ziele für den Korridor Stuttgart – Ulm – München
Die Infrastruktur in der Relation Stuttgart – Ulm bedarf einer Erweiterung der Kapazitäten bei
gleichzeitiger Verbesserung der Angebotsqualität durch deutliche Fahrzeitgewinne.
Das Teilprojekt Stuttgart 21 muß in sich finanziert werden, die Heranziehung von sachfremden
Finanzierungsinstrumenten ist abzulehnen. Sollte sich das derzeitige Projekt nicht eigenständig
finanzieren lassen, ist eine preiswertere Modernisierung der heutigen Anlagen zu realisieren.
Eine Neu-/Ausbaustrecke Stuttgart – Ulm – München ist verkehrspolitisch vorrangig gegenüber dem in
erster Linie städtebaulich motiviertem Projekt S21 zu realisieren.
Alle Projekte im Bereich des Knoten Stuttgart müssen Kapazitätsreserven für künftige
Angebotsverbesserungen berücksichtigen.
Bestellgarantien können nur gegenüber der DB Netz AG gegeben werden, ein “Quersubventionierung”
zugunsten der DB Netz AG durch langfristige Bindung an DB Regio AG ist abzulehnen.
Kurzfristig machbare und finanziell überschaubere Projekte zur Kapazitäts- und Qualtitätsverbesserung
der bestehenden Filstaltrasse dürfen durch offene Grundsatzfragen nicht verzögert werden. Beispiel
hierfür sind die fehlenden niveaufreien Zugänge in mehreren Bahnhöfen zwischen Geislingen und Ulm.
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