In der Bodenseeregion soll eine Interessengemeinschaft für die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn auf dem Abschnitt Radolfzell – Friedrichshafen gegründet werden. Dabei wollen sich die an der Strecke liegende Städte und Gemeinden (Friedrichshafen, Markdorf, Radolfzell, Überlingen, Bermatingen, Bodman-Ludwigshafen, Salem, Sipplingen und Uhldingen-Mühlhofen), außerdem die betroffenen Landkreise (Bodenseekreis und Landkreis Konstanz), die Regionalverbände Bodensee-Oberschwaben und Hochrhein-Bodensee, sowie die IHK Bodensee-Oberschwaben und die IHK Hochrhein-Bodensee zusammenschließen.
PRO BAHN begrüßt dies sehr, entspricht dies doch auch unseren Forderungen.
Neben einer Elektrifizierung ist aber auch ein Ausbau der eingleisigen Strecke mit zusätzlichen Kreuzungsmöglichkeiten dringend erforderlich.
Die Ausbaupläne sind im Gesamtzusammenhang des Angebots auf der Südbahn (Ulm – Friedrichshafen), der Bodenseegürtelbahn (Radolfzell – Friedrichshafen – Lindau) und der Hochrheinstrecke (Basel – Singen (– Radolfzell)) zu sehen.
Die Fahrplankonzepte für langlaufende Nahverkehrslinien auf diesen Strecken sahen ursprünglich die Linien Basel – Singen – Radolfzell – Friedrichshafen – Lindau sowie Stuttgart – Ulm – Friedrichshafen vor.
Ergänzt wurde dies mit dem Jahresfahrplan 2004 durch eine Sprinterzug Friedrichshafen – Ulm. Der Zug stellte die Verbindung zwischen dem schnellen IRE Basel – Lindau und dem ICE Ulm – München her.
Kurz nach Einführung dieses Zugs, mussten bei den Neigetechnikzügen VT 611 (nicht zum einzigen Mal) die Neigetechnik abgeschaltet werden, was die Anschlüsse an den Südbahn-Sprinter zu knapp werden ließ. Das Problem wurde durch einen Linientausch gelöst: Die IREs aus Basel wurden nach Ulm umgebogen, die REs aus Stuttgart nach Lindau durchgebunden.
Das Grundproblem, dass durch die zu niedrige Streckengeschwindigkeit auf der Südbahn zwei Züge für viel Geld, aber ohne großen Nutzen in relativ kurzem Abstand hintereinander herfahren müssen, blieb aber: Der IRE-Sprinter nach Basel erreicht die wichtigen Anschlüsse in Singen (Schwarzwaldbahn Richtung Karlsruhe, Fernverkehr nach Stuttgart etc.) und Basel (ICE Richtung Norden), kann aber in Ulm den ICE aus Richtung Stuttgart nicht aufnehmen. Beim stündlichen Regionalexpress (Stuttgart –) Ulm – Friedrichshafen (– Lindau) ist es gerade umgekehrt. In der Gegenrichtung gilt Entsprechendes.
Mit dem Ausbau der Südbahn auf eine Streckengeschwindigkeit von 160 km/h und der Elektrifizierung ließe sich die Doppelführung vermeiden, um ein besseres Angebot im Regionalbahnverkehr finanzierten zu können. Auch wir haben dies so gesehen.
Der Regionalbahnverkehr auf der Südbahn ist durch die fahrgastunfreundliche Zweiteilung mit unterschiedlichen Betreibern (DB Regio bzw. RAB) im Norden und Bodensee-Oberschwabenbahn im Süden geprägt. Im Zuge der Kürzungen im Juni 2007 wurde die Zweiteilung noch durch ein "Loch" zwischen Biberach Süd und Aulendorf verschlimmert. Die Fahrzeit zwischen diesen beiden Bahnhöfen hat sich in etwa verdreifacht, soweit nicht auf intensives Betreiben auch von PRO BAHN nicht doch eine der wenigen durchgebundenen Regionalbahnen verkehrt. Nach Elektrifizierung und Ausschreibung soll die Lücke zwar wieder geschlossen werden, aber der Zusammenhang mit dem Ausbau besteht nur mittelbar. Im wesentlichen sollen die Mehrkilometer wohl von der Rücknahme der (auf Grundlage der früheren, schwächeren Fahrgastzahlen) überflüssig werdenden IRE-Sprinter herrühren.
Die Regionalbahnen auf der Bodenseegürtelbahn werden durch die unzureichende Infrastruktur und die schnellen IRE-Sprinter deutlich ausgebremst. So stehen die Züge in Ludwigshafen planmäßig 10 Minuten, im morgendlichen Berufs- und Schülerverkehr in Überlingen-Therme sogar 20 (!) Minuten, um Gegenzüge abzuwarten. Die Anschlüsse im Knoten Friedrichshafen funktionieren einigermaßen. In Radolfzell hingegen wird der Anschluss an den Seehas nach Konstanz nur zweistündlich hergestellt; wenn die Neigetechnik der Sprinter mal eingeschaltet ist, fährt die Regionalbahn auch zweistündlich dem Seehas aus Konstanz unmittelbar vor der Nase davon. Die Anschlüsse in Singen Richtung Zürich würden technisch funktionieren, sind aber den Sparbemühungen des Landes weitestgehend zum Opfer gefallen.
Der Regionalbahnverkehr kann von einer Elektrifizierung aufgrund der wesentlich höheren Spurtstärke geeigneter elektrischer Züge deutlich profitieren. Die strukturellen Schwächen durch fehlende Kreuzungsmöglichkeiten, die den Verkehr weit stärker ausbremsen, werden aber durch einen Fahrdraht nicht beseitigt.
Die Elektrifizierung von Südbahn, Hochrheinstrecke und Bodenseegürtelbahn sind notwendig und sinnvoll. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass derzeit keine geeigneten dieselbetriebenen Nachfolgemodelle für den VT 611 auf dem Markt erhältlich oder auch nur in der Entwicklung sind. Nach den vielen Fahrplanperioden, in denen immer wieder aus verschiedenen Gründen kein Niegetechnikbetrieb möglich war, scheint es sinnvoll, auf diese Technik zukünftig zu verzichten, wenn trotzdem ein ansprechendes Fahrplankonzept geschaffen werden kann.
Die Ausbaumaßnahmen auf den südlichen Dieselstrecken müssen koordiniert geplant und ausgeführt werden, um massive Verschlchterungen durch halbherzige Ausbauten zu vermeiden. Insbesondere auf der Gürtelbahn sind neben der Elektrifizierung weitere Ausbaumaßnahmen vordringlich.
26.05.2010
letzte Aktualisierung: 11/2024