Kirchheim/Teck, 25.5.07, WS - Am 10. Juni 2007 werden in Baden-Württemberg einschneidende Fahrplankürzungen wirksam. Nachdem die Landesregierung bereits im Dezember 2004 einige geringer ausgelastete Züge gestrichen hatte, trifft es nun auch gut besetzte Züge, so dass von der einstmals angestrebten vollständigen Umsetzung eines integrierten Taktverkehrs keine Rede mehr sein kann. Begründet wird dies mit der Streichung der Regionalisierungsmittel durch den Bund, die allerdings auch heute noch nicht vollständig für ihren eigentlichen Bestimmungszweck, nämlich für die Bestellung von Zugfahrten ausgegeben werden. Dafür sind im Jahr 2007 nur 600 Mio. € vorgesehen, während der Bund 700,5 Mio. € Regionalisierungsmittel zur Verfügung stellt. Es wäre also genug Geld verfügbar, um im Land auf allen Strecken einen attraktiven Schienenverkehr im Stundentakt und mit Anschlüssen in alle Richtungen anzubieten, aber die Landesregierung will auf Kosten der Bahnkunden sparen und erhöht gleichzeitig die Mittel für den Landesstraßenbau.
Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert diese rückwärtsgewandte Verkehrspolitik und weist darauf hin, dass angesichts des Klimawandels eine verstärkte Förderung des umweltfreundlichen Nahverkehrs notwendig wäre. Landesvorsitzender Josef Schneider bemerkt dazu: "Man kann es nur als Heuchelei bezeichnen, wenn Ministerpräsident Oettinger eine Nachhaltigkeitsstrategie ausruft, und gleichzeitig den Bahnreisenden ihre Verbindungen streicht."
Einige Bahnkunden müssen ab Juni wohl oder übel wieder auf ihre Autos umsteigen und mancher Arbeitnehmer mit festen Arbeitszeiten, der über keinen eigenen Pkw verfügt, erreicht seinen Arbeitsplatz nicht mehr rechtzeitig, wenn nur ein Zweistundentakt angeboten wird. Für manche Arbeitnehmer, besonders aus dem Billiglohnsektor kann das die Existenz bedrohen.
Aber auch der zunehmende Freizeit- und Tourismusverkehr wird hart getroffen. An Wochenenden wird auf manchen touristisch interessanten Strecken wie zum Beispiel im Taubertal, auf der Dreiseenbahn oder der Hohenlohebahn, nur noch ein Zweistundentakt angeboten und selbst auf stark genutzten Strecken wie zwischen Stuttgart und Tübingen hält an manchen Bahnhöfen nicht mehr jede Stunde ein Zug. Ein solches Angebot ist für einen Ausflug oder eine Einkaufsfahrt mit der Bahn nicht praktikabel, denn bei der Rückfahrt können im ungünstigsten Fall Wartezeiten von fast zwei Stunden auftreten. Gleichzeitig wird das beliebte Baden-Württemberg-Ticket jedes Jahr teurer, so dass zu befürchten ist, dass sich die Züge am Wochenende wieder leeren.
Die Kürzungen führen in vielen Regionen Baden-Württembergs zu einer drastischen Verschlechterung der Erreichbarkeit. Wer beispielsweise nach Wertheim fahren will, muss in Stuttgart bereits um 17:04 abfahren, danach besteht künftig keine Verbindung mehr. Fernpendler nach Spaichingen müssen die Landeshauptstadt entweder um 18:18 verlassen oder bis nachts um 22:25 warten. "Damit verabschiedet sich Baden-Württemberg von der Erfolgsgeschichte Schienennahverkehr, während in anderen Ländern wie in Rheinland-Pfalz und in Bayern der Nahverkehr sogar noch ausgebaut wird", ärgert sich Schneider. Der Fahrgastverband fordert eine umgehende Rücknahme der Kürzungen und erwartet, dass durch Ausschreibung aller Schienenstrecken und eine bessere Organisation ein attraktiveres Angebot für den gesamten öffentlichen Verkehr im Land geschaffen werden kann, das zusätzliche Fahrgäste anzieht. "Ein wirtschaftlicherer Betrieb bei gleichzeitig kundenfreundlichem Angebot ist durchaus möglich", ist sich PRO BAHN sicher. Dazu sei aber ein langfristig angelegtes Konzept notwendig. Kurzfristige Streichungen einzelner Züge führen häufig zu einer Abwärtsspirale und erhöhen die spezifischen Kosten des Bahnverkehrs für das Land.
Verantwortlich für den Inhalt:
Josef Schneider, Vorsitzender Pro Bahn-Landesverband Baden-Württemberg
Kontakt: Ulrich Arndt 0174 290 07 52 Josef Schneider 0160 / 7025154
letzte Aktualisierung: 11/2024