Seit der S-Bahnverkehr durch die Bauarbeiten an der S-Bahn-Rampe im Zuge von Stuttgart 21 gestört ist, erreichen den Fahrgastverband PRO BAHN fast täglich Klagen von Fahrgästen, die ihre Anschlussbahnen und -busse nicht mehr erreichen.
Schon im September letzten Jahres hatte der Fahrgastverband PRO BAHN vor möglichen Störungen gewarnt, wurde damals aber nicht ernst genommen.
Besonders drastisch wirkt sich dies bei den Anschlüssen von der S1 zur Schönbuchbahn und zur Ammertalbahn aus. Wegen eingleisiger Strecken mit wenigen Kreuzungsmöglichkeiten und kurzen Aufenthalten an den Endpunkten können die Züge nur wenige Minuten auf verspätete S-Bahnen warten, weil die Verspätung sonst auf die Rückfahrt übertragen und der Fahrplan völlig aus dem Takt geraten würde.
Andreas Kegreiß, Vorstandsmitglied beim Fahrgastverband PRO BAHN Baden-Württemberg warnt vor den Folgen: "Viele Fahrgäste sind verärgert, weil sie regelmäßig ihre Bahn an den Umsteigepunkten nur noch von hinten sehen und eine halbe Stunde auf den nächsten Zug warten müssen. Einige sind schon wieder aufs Auto umgestiegen und wenn nicht bald wieder verlässliche Anschlüsse hergestellt werden, werden es noch mehr. Das kann nicht unser Ziel sein."
Damit geht eine Erfolgsgeschichte zu Ende, die nach der Wiedereröffnung der beiden Nebenstrecken mit einem Fahrgastzuwachs begann, der alle Prognosen weit übertraf. Derzeit werden bei beiden Bahnen die Elektrifizierung und die abschnittsweise Erweiterung auf zwei Gleise untersucht, wodurch die Bahnen schneller fahren und länger auf verspätete S-Bahnen warten könnten.
Kegreiß befürchtet jedoch: "Wenn nun die Fahrgastzahlen sinken und damit kein zwingender Ausbaubedarf der Nebenstrecken mehr besteht, wird das vorgesehene Geld im Milliardengrab S21 verschwinden. Bereits jetzt ist vorgesehen, dass insgesamt 650 Mio. € an Nahverkehrsmitteln in das Prestigeprojekt S21 fließen sollen."
Schon vor dem aktuellen S-Bahn Chaos litt die S-Bahn tendenziell unter einer Verschlechterung der Betriebsqualität, was sich über die Jahre in zunehmenden Verspätungen und in leicht rückgängigen Fahrgastzahlen bemerkbar machte. Kamen im Jahr 2005 nur 11,3% aller S-Bahnen in der Hauptverkehrszeit mit einer Verspätung von mehr als drei Minuten an, so waren es im Jahr 2009 17,7%. Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Zahlen für das laufende Jahr noch einmal dramatisch verschlechtern, wobei die zunehmende Anzahl an ausfallenden S-Bahnen, wie z. B. bei der Sperrung der S6 in Korntal oder den Bauarbeiten auf der S5 gar nicht berücksichtigt werden und so ein positiveres Bild der Verspätungsproblematik vorgetäuscht wird.
Die S-Bahn ist das Rückgrat des Wirtschaftsraums Mittlerer Neckar und befördert täglich 340.000 Menschen. Kegreiß warnt: "Ohne ein zuverlässig funktionierendes Nahverkehrssystem droht der Region der Kollaps, weil die Straßen schon heute voll sind und Arbeitnehmer nicht mehr pünktlich ihren Arbeitsplatz erreichen können".
Auch in der Freizeit sind zuverlässige, pünktliche Zugverbindungen Vorraussetzung für die Akzeptanz des ÖPNV. Kegreiß fordert deshalb: "Das Ziel eines integralen Taktfahrplans (ITF), wie er in der Schweiz schon seit vielen Jahren verwirklicht ist, darf nicht durch fahrlässig verursachte Verspätungen und versäumte Anschlüsse aus den Augen verloren werden". Als kurzfristige Verbesserung schlägt der Fahrgastverband PRO BAHN deshalb vor, die Signaltechnik durch enger gestufte Blockabschnitte und mehr Signale zu ertüchtigen. Da die Bahn die Anschlussprobleme durch falsch geplante Änderungen an der Signaltechnik selbst verschuldet hat, muss sie sich den Fahrgästen gegenüber kulant zeigen und bei größeren Verspätungen das Fahrgeld erstatten. Zeitkarteninhaber, die die betroffenen Strecken regelmäßig nutzen, sollten pauschal entschädigt werden.
Rückfragen an:
Andreas Kegreiß (PRO BAHN e. V., Regionalverband Region Stuttgart), Telefon 07032 / 992103
letzte Aktualisierung: 11/2024