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RV Region Stuttgart

03.08.2008

Pro Bahn zum möglichen Ende des Intercity

Intercity fährt aufs Abstellgleis - Politik muss jetzt handeln

Dem Intercity (IC) droht bundesweit eine radikale Schrumpfkur. Auch Baden-Württemberg dürfte nach einer jetzt veröffentlichten Expertise davon betroffen sein. Gefährdet sind die IC-Linien Karlsruhe-Stuttgart-Nürnberg sowie die IC-Halte Plochingen, Göppingen und Geislingen.

In der Zeitschrift "derFahrgast" veröffentlichte Pro Bahn e. V., der unabhängige Verband für die Interessen der Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr, eine brisante Expertise. Demnach ist damit zu rechnen, dass die ICE- und IC-Züge zu einem Produkt zusammengefasst werden, was nach den Erfahrungen mit den "Umwandlungen" der letzten IR-Linien in Intercity-Linien dem Fahrgast nichts weiter als Fahrpreiserhöhungen bringen dürfte. Ulrich Arndt, Pressesprecher von Pro Bahn e. V. in Stuttgart, sagte hierzu: "Das sind beunruhigende Nachrichten. Das erinnert an das Ende des Interregio."

Die Grundlage der Expertise:

Die Expertise und die daraus abgeleitete Prognose stützen sich auf eine öffentliche Ausschreibung der Deutschen Bahn AG. Ausgangspunkt ist der veraltete Wagenbestand der Intercity-Züge. Diese Wagen erreichen mit rund 30 Jahren Laufzeit in Kürze das Ende ihrer Nutzbarkeit. Folglich muss die Deutsche Bahn AG Ersatz beschaffen. Die entsprechende Ausschreibung spricht jedoch von "130 bis 300 Hochgeschwindigkeitstriebzügen" für eine Abnahmezeit von 27 Jahren.

Technische Folgerungen:

Der lange Zeitraum lässt darauf schließen, dass nicht nur die alten IC-Züge, sondern auch die ICE-Züge der ersten und zweiten Generation ersetzt werden. Angesichts der großen Spannbreite der Zahl der abzunehmenden Fahrzeuge ist die Gefahr sehr real, dass langfristig deutlich weniger Züge zur Verfügung stehen werden und damit das Fahrplangebot gegenüber heute entsprechend ausgedünnt wird.

Betriebswirtschaftliche Folgen:

Die DB AG muss den Fernverkehr eigenwirtschaftlich betreiben. Dies war bisher mit voll abgeschriebenen IC-Garnituren, die quasi umsonst aus der Bundesbahnzeit als Startkapital übernommen worden sind, gut möglich. Müssen jedoch die Anschaffungskosten wieder hereingefahren werden, werden deutlich mehr Fahrgäste bzw. Einnahmen je Zugkilometer notwendig, um diesen wirtschaftlich betrieben zu können.

Folgen für den IC:

Es gibt nicht mehr genügend Zug-Garnituren, um die heutige Summe von ICE- und IC-Zügen anbieten zu können. Vielmehr schrumpft die DB AG auf ertragsstarke ICE-Linien mit einigen wenigen zusätzlichen ICE-Linien. Somit können touristische Ziele nur noch sehr beschränkt angefahren werden.

Ferner muss jeder Zug eine höhere Auslastung aufweisen. Solch eine gute Auslastung ist nur auf den großen Rennstrecken zwischen Hamburg, Berlin, München, Stuttgart, Basel und Köln möglich.

Folgen für Baden-Württemberg:

Im Land droht der IC-Linie Karlsruhe-Nürnberg über Pforzheim-Stuttgart-Aalen das Aus. Problematisch sind auch die Halte in Plochingen, Göppingen und Geislingen/Steige. Wenn die Neubaustrecke nach Ulm fertig wird, wird wohl kaum noch Fernverkehr über die Altbaustrecke geführt werden

Der Zeithorizont für diese Kürzungen ist unklar. Technisch wäre eine Laufzeit bis 2018 möglich. Schaut man die Entwicklung beim Interregio und aktuell die zunehmende Streichung von IC-Zügen am Wochenende an, ist eine frühere Stilllegung wahrscheinlich.

Forderungen von Pro Bahn:

Pro Bahn appelliert an die Politik, schnell zu reagieren. Dass die DB AG auf die Rendite schaut, ist Folge der Bahnreform von 1994 und systemimmanent.

Dort wurde festgelegt, dass der Fernverkehr eigenwirtschaftlich betrieben werden soll, der Nahverkehr hingegen von den Bundesländern mit den sogenannten Regionalisierungsmitteln bestellt und damit zu großen Teilen bezahlt wird.

Es liegt auf der Hand, dass der Fernverkehr abseits der aufkommensstarken Verbindungen zwischen den Großstädten gegen den bestellten Nahverkehr kaum konkurrieren kann.

Es ist politisch so gewollt, dass der Fernverkehr nicht staatlich geplant, sondern in Eigenregie der DB oder auch anderer Eisenbahnen geplant und betrieben wird. Dennoch hat der Bund eine verfassungsrechtliche Pflicht, dem "Wohl der Allgemeinheit" Rechnung zu tragen. Wie dies geschehen soll, muss nun endlich klar definiert werden.

Ansonsten setzt sich der innere Widerspruch der Bahnreform aber fort. Der Schienenverkehr als Infrastrukturangebot für die gesamte Gesellschaft steht in einem Widerspruch zu den Renditeerwartungen einer Aktiengesellschaft. "Angesichts langer Ausschreibungsfristen und langer Vorlaufzeiten für alternative Angebote muss die Politik jetzt handeln", fordert Arndt. "Föderalismus ist eine gute Sache, beim Schienenverkehr jedoch begünstigt er eine Kleinstaaterei wie im vorletzten Jahrhundert", so Arndt weiter. "Deshalb müssen Bund und Länder enger zusammenarbeiten und ein Gegengewicht zum rein Kosten orientierten Denken der DB AG schaffen, sei es durch Ausschreibungen und mehr Wettbewerb im Nahverkehr oder durch klare Vorgaben für ein Grundangebot im Fernverkehr. Es geht um die politische Dimension, nämlich inwiefern die Regionen an den schnellen Fernverkehr auf der Schiene angeschlossen bleiben.", sagt Arndt abschließend.


Kurzzusammenfassung der Expertise unter:

http://www.der-fahrgast.de/Archiv/2008/2008-3-07_09.pdf

Kontakt: Uli Arndt, Tel. 0177/2869260

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letzte Aktualisierung: 03/2024